Freitag, 10. Juli 2009

Das Novara-Projekt


Im Frühjahr 2010 wird im Amalthea-Signum Verlag unser erstes, gemeinsames Sachbuch erscheinen: "Die vergessene Weltmacht Österreich und die letzte Fahrt der Novara."


Darin wird es um die Weltumseglung der österreichischen Fregatte SMS Novara gehen, die in den Jahren 1857 bis 1859, also genau vor 150 Jahren, die Erde umrundet hatte.


Ein paar Impressionen zum Inhalt:


Die Reise der Novara von 1857 bis 1859 war eine Fahrt in die Geschichte der österreichischen Marine und des mit ihr eng verknüpften Kolonialwarenhandels, auch zurück an die Orte ihrer gescheiterten Ambitionen des 17. und 18. Jahrhunderts. Seit den frühen 1780ern waren Pläne für eine österreichische Weltumseglung gefasst und formuliert worden. Zweimal wurde ein solches Unterfangen nicht durchgeführt, oder abgelehnt.
Die Weltumseglung der SMS Novara war dennoch nicht die erste österreichische Weltumseglung. Diese gelang Giovanni Visin, einem österreichischen Staatsbürger und Kapitän, der unter rot-weiß-roter Flagge eine weltumspannende Fahrt, bzw. Handelsreise(n), in den Jahren 1851 bis 1859 unternommen hat.
Die wichtigsten Akteure vor und während der Novara- Expedition waren potentielle Nutznießer des Suezdurchstichs, oder Aktionäre des Kanalprojektes in Ägypten: Karl Ludwig von Bruck, die Rothschilds und Erzherzog Ferdinand Max. Von Bruck war einerseits Besitzer von Gründungsaktien der Kanalgesellschaft, andrerseits auch Mitbegründer des Österreichischen Lloyd und der Kreditanstalt. Die Rothschilds, repräsentiert durch Anselm von Rothschild, besaßen Anteile am Österreichischen Lloyd, damit auch indirekt an der Suezkanal- Aktiengesellschaft, und verfügten durch die Kreditanstalt zusätzlich über die Südbahn nach Triest. Transportierte die Dampfschiffgesellschaft die Waren aus Übersee durch den Kanal, so übernahm den Weitertransport der Fracht diese Eisenbahnlinie.
Aufgrund der durch den Kanal eröffneten neuen Handelslinie und ihrer Möglichkeiten für eine Neugewichtung der Kräfteverhältnisse auf See, sah man sich in die Lage versetzt, die kolonialen Ambitionen des österreichischen Erzhauses in Ostasien zu reaktivieren, die der Nationalökonom Lorenz von Stein in seiner Denkschrift, an der Karl von Bruck und Karl Scherzer urheberisch beteiligt waren, in Worte gekleidet hatte. Das vermeintliche heute bizarr erscheinende Sandkastenspiel
[1] war - auch durch die Mission der Novara - vollends zu einem Vabanquespiel geworden.
Das österreichische k. k. Außenministerium beantragte auf Ansuchen des MOK Triest Neutralitätserklärungen für die Weltumsegelung bei allen seefahrenden und Kolonien besitzenden Nationen im Einsatzgebiet der Novara. Karl Scherzer, der Chronist der Reise verlegte die Rückkehr der Novara im beschreibenden Teil von 1861 effektvoll in das Kriegsgeschehen zwischen Österreich und Frankreich, das 1859 an der Seite Sardinien- Piemonts gekämpft hatte. Der Waffenstillstand, der Frieden von Villafranca, war allerdings schon seit 19 Tagen in Kraft gewesen, als die Novara sich anschickte, in das Mittelmeer einzutreten.
Weder Ferdinand von Hochstetter noch Georg von Frauenfeld waren die offiziellen Expeditionsfotografen der Weltumseglung der Novara, wie man es aufgrund der fundierten Quellenlage, basierend auf der österreichischen Akademie der Wissenschaften, angenommen hatte, sondern Wenzel Lehmann. Den Instruktionen ist zu entnehmen, dass es sowohl den Ärzten als auch den Zoologen freistand, an wen sie sich zwecks Dokumentation wenden wollten: an den Maler Joseph Selleny, oder an den Photographen Wenzel Lehmann. Die photographischen Instrumente waren österreichische Produkte, organisiert von der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien. Eine beeindruckende Zahl von photographischen Abzügen war für die anstehende Publikation des ethnographischen Bandes von der Akademie bezahlt worden. Nachdem dieses Buch niemals erschienen war, aber im Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei konzipiert worden ist, besteht berechtigter Grund zu der Befürchtung, dass das dazu verwendete Material im zweiten Weltkrieg mit dem Archiv der Staatsdruckerei vernichtet worden ist.
[1] Sauer 2002, S. 47.