Nachdem wir bereits mitten im Schreiben unseres neuen Thrilles sind - der dritte mit Paul Wagner und Georg Sina, Kommissar Berner und allen bekannten Protagonisten aus "Ewig" und "Narr" - war ich für die Recherchen zum neuen Buch in Turin. Nachdem David Weiss nicht mitkommen konnte und in Wien blieb, zog ich allein los, um die norditalienische Stadt, in der wichtige Szenen des neuen Thrillers spielen werden, zu entdecken.
Turin ist eine majestätische Stadt, die 18 Kilometer Gallerien (überdeckte Gänge wie die Laubengänge in Bozen oder Meran) sind riesig hoch, breit und dahinter stehen meistens Palazzi, die es in dieser Form bei uns noch noch selten gibt. Der Krieg muß Turin wirklich ausgespart haben, weil eine solche Prachtfülle ist ungewöhnlich. Der Po fließt mitten durch die Stadt und nicht daran vorbei. Was das Wetter betrifft, so hätte ich nicht mehr Glück haben können. Tiefblauen Himmel, Temperaturen um die 12 bis 14 Grad und lediglich ein bedeckter Tag.
Turin ist auch eine Stadt der reichen Klasse. Hier sind die Leute wirklich wohlhabend, selbst nach dem Niedergang von Fiat (von 130.000 Arbeitern auf 16.000 Arbeiter derzeit). Die Menschen auf den Straßen sind (wie in Bologna) gut bis sehr gut angezogen - und das den ganzen Tag. Die längste Fußgängerzone Europas (Via Garibaldi) ist gesäumt von Geschäften, denen es allen sehr gut zu gehen scheint und die in den Einkaufsstunden am nachmittag fast alle voll sind. Der Handel boomt, die Preise treiben einem allerdings die Tränen in die Augen, Mäntel um 700.- Euro oder Schuhe um 380.- Euro sind Standard. Der riesige Markt auf der Piazza Republicca ist der Gegenpol dazu, aber das später.
Das königliche Turin (erste Hauptstadt Italiens vor Rom) ist prachtvoll, überladen, schwelgt (im Königspalast in rot und gold) und man könnte meinen, man ist in einem Film, der von einem italienischen Designer überausgestattet wurde. An jeder Ecke ist eine Pizzaria oder ein Restaurant, aber die müssen sich abgesprochen haben, weil die Pizzas alle um die 10 Euro kosten und jede (kleine) Portion Spaghetti 8 Euro mindestens (reden wir nicht von vongole...:=). Vielleicht ist es in den Aussenbezirken anders, aber Turin ist groß und ich bin über das Viereck der Innenstadt kaum rausgekommen, weil es so viel zu sehen gab. Augenfällig ist, daß im katholischen Italien inzwischen die Supermärkte zu 80% auch am Sonntag geöffnet haben, von den kleineren Geschäften ganz zu schweigen. Dafür ist Montag vormittag so gut wie überall ein Ruhetag.
Die Mole Antoniellana ist das Wahrzeichen Turins, ein Turm aus Ziegeln gebaut, der einmal das höchste Gebäude Europas war. Unten ist das Filmmuseum (sehr, sehr schön angelegt, mit viel Aufwand und Liebe zum Detail) und in der Mitte des Gebäudes gibt es einen Panoramalift hinauf und danach einen Blick über Turin, der atemberaubend ist - mit dem weissen, schneebedeckten Alpenbogen im Hintergrund, von einer Seite aus Norditalien kommend und in Südfrankreich verschwindend.
Gleich zu Beginn hab ich das Prinzip des "Aperitivo" entdeckt, das heißt in Turin, daß man zu einem Getränk (grosses Bier oder was immer auch) so viel Essen kann (kalt und warm, à la spanische Tapas), wie man will - für Preise zwischen 9 und 14 Euro. DAS ist cool und es gibt jede Menge Bars und Cafés die das machen und anbieten.
Ein großes Lob der Tourismus-Information muß man bei dieser Gelegenheit auch aussprechen. Wenn es um die Selektion von guten Adressen in der Stadt geht, dann wird nicht herumgeredet, sondern man packt die "Geheimtipps" aus.... auch was das Essen betrifft. Also - Aperitivo heißt das Zauberwort in Turin. Danach tut ein ausgedehnter Spaziergang zurück zum Hotel gut.
Und dann ist da noch etwas, das die Entdeckung Turins wirklich fördert - der sogenannte Choko-Pass...:=) Da haben sich 20 schokoproduzierende Betriebe oder Konditoreien in der Mutterstadt der Schokolade zusammengetan und bieten für 12 Euro Coupons an, für die man entweder Ermässigungen bekommst oder Kostproben der Produktion. Die Betriebe, über die ganze Stadt verteilt und in einer beiliegenden Karte eingezeichnet, lassen einen damit auf Entdeckungsreise gehen, auch in Stadtteile, in denen an normalerweise als Tourist nicht unterwegs wäre.
Was das mysteriöse Turin betrifft, so habe ich mir Zeit genommen, es zu entdecken und habe Führungen im Untergrund mitgemacht. Die Gänge und Keller und Labyrinthe unter der Stadt sind weit älter als beispielsweise in Berlin. Viele gehen auf die Zeit der Römer zurück, dann haben im Lauf der Jahrhunderte immer wieder Ergänzungen und Erweiterungen das unterirdische Turin zu dem gemacht, was es heute ist - aufregend und weitläufig.
Der Markt auf der Piazza Repubblica, der größte in seiner Art in Europa, läßt den Naschmarkt in Wien verblassen. Die Seite des Platzes, wo Gemüse, Obst, Fleisch, Wurst und Käse verkauft werden, ist fest in italienischer Hand und ein Paradies für Feinschmecker. Die Waren sind ganz frisch, die Preise lächerlich und wer hier keine italienischen Spezialitäten findet und den Kofferraum vollräumt, dem ist nicht mehr zu helfen. Den Flohmarkt im Norden der Piazza gibt es nur jeden ersten und zweiten Sonntag im Monat, also konnte ich ihn leider nicht sehen, aber es wird sicherlich eine weitere Gelegenheit dazu geben.
Eine ganz besondere Rolle spielt das ältest Lokal in Turin, das "Tre Galline", in unserem neuen Buch. Allein schon deshalb habe ich es besucht. Gehobene piemontesische Küche, ein altes Restaurant, das bereits vor fast 450 Jahren eröffnet wurde. Keinen Steinwurf von der Piazza Repubblica entfernt. Rundherum enge Gassen, ideal zum Verschwinden oder für eine Verfolgungsjagd in der Altstadt...:=)
Die folgenden Fotos sollten einen Eindruck von Turin geben, einer Stadt, die so oft als Industriestadt verrufen ist und dabei so schön und königlich ist. Der Herbst hat die Blätter der Bäume gefärbt, während der Winter in den Bergen für die Kulisse im Hintergrund gesorgt hat. Die schöne Jahreszeit dauert doch länger, man ist südlich, trotz der Nähe der Berge.
Turin ist auch die Stadt der 1000 Kirchen. Es gibt an jeder Ecke eine Kirche, von den verschiedensten katholischen Orden, von puristisch und streng bis verspielt und verschwenderisch ausgestattet. Das (verpackte) Grabtuch habe ich mir auch angeschaut, nix wirklich spektakuläres natürlich, ein mit einer riesigen Fahne zugedeckter, 5 Meter langer, (angeblich) aus Glas und Aluminium gefertigter Behälter. Keine Menschen davor, so nebesächlich, wie nur etwas. Wenn man nicht wüßte, daß es in dieser ganz speziellen Kirche neben dem Palazzo Reale liegt, dann würde man daran vorbeigehen. Dagegen ist die Ruprechtskirche mit dem gläsernen Schrank mit St. Vitus direkt spektakulär ...:=)
Ich hoffe, daß diese einigen Eindrücke auch ein wenig neugierig auf unseren nächsten Thriller gemacht haben. Hier nun die Fotos aus Turin, von einer wunderschönen Woche.